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Leidenschaft und Unsichtbarkeit

Ein Plädoyer für die Tätigkeit der freien Vermittlung in Museen.

Von Claudia Chávez de Lederbogen

Seit mehr als 20 Jahren arbeite ich als studierte Geisteswissenschaftlerin in der musealen Vermittlung freiberuflich in Hamburg. In den 2000ern gab es einen „Boom“ in der „Museumspädagogik“ Hamburgs. Trotz befristeter Verträge und ohne Sicherheit einer angestellten Tätigkeit, mit einem Angebot an Fortbildungen durch den Museumsdienst Hamburg, getragen durch eine starke, sich für das Team der Freiberufler*innen einsetzende und einen regelmäßigen Austausch garantierende museumspädagogische Leitung, war die Motivation groß, sich einzubringen und dabei zu bleiben. Museumspädagog*innen dieser Jahre waren die Stimmen, die in Eigenkonzeption andere Sichtweisen und neue Perspektiven ins Museum gebracht und vermittelt haben. Das gilt bis heute.

Seit 2010 änderten sich die Voraussetzungen in einzelnen Häusern. Fortbildungsangebote über den Museumsdienst Hamburg wurden immer weniger, schließlich gab es keine mehr. In manchen Häusern wurde versucht, das Vertretungsproblem mit Doppelbesetzungen zu lösen – Kooperation unter den Freien wurde ersetzt durch Konkurrenz. Der Begriff „Vermittlung“ trat auf den Plan, Häuser suchten sich neu zu erfinden. Alles gute Prozesse – Kultur ist Wandlung. Die freien Vermittler*innen haben erwartungsvoll auf eine Mitarbeit im neuen Prozess gewartet. Seit zwei Jahren ist aus der Erwartung Enttäuschung geworden – erst recht im Corona-Jahr 2020. Museen sprechen über die schwierige Lage, die sich für die Häuser durch die Schließungen ergibt, verkünden, dass es intern – bis auf den „Besucherservice“ – keinen Arbeitseinbruch gibt, aber, dass wir Vermittler*innen, die ja ohne Besucher*innen nicht arbeiten können, ohne Alles dastehen – davon ist keine Rede. Weder in Diskussionen noch in Presseerklärungen. Gibt es uns überhaupt? 

Ja! Und wir sind wichtig! Dies ist ein Plädoyer für uns. Vielleicht werden wir „nur“ als Guides wahrgenommen, die durch fertig kuratierte Ausstellungen führen. Austauschbar und für ein paar Jahre tätig. Diejenigen, die schon seit langem dabei sind und sich für diese Tätigkeit entschieden haben, tun es meist aus Leidenschaft und können aus der Erfahrung heraus unterschiedliche Methoden problemlos auf verschiedene Zielgruppen anwenden. Wir sind diejenigen, die es verstehen, einem breiten Publikum von 4 bis 99 Jahren, Gruppen, Schülern und Schülerinnen Aha-Erlebnisse zu vermitteln, wir haben es viele Jahre gemacht und das direkte Feedback hat uns immer besser werden lassen. Und wer kennt es nicht, dieses Gefühl, nach einer mit Leidenschaft geführten Veranstaltung, den Dank und die positive Rückmeldung der Gruppe zu bekommen, ihr auf dem Weg etwas mitgegeben zu haben, einen kritischeren Blick auf die Dinge, auf ein Thema, ein Erlebnis, eine Erkenntnis.

Es wird aktuell viel von der Relevanz der „Kulturschaffenden“ gesprochen, gemeint werden dabei eindeutig zuzuordnende Berufe im Kulturbetrieb, warum aber bleibt die Tätigkeit der freien Vermittlung in Museen unerwähnt? Liegt es daran, dass wir weder eindeutig als Künstler*innen, noch als Lehrer*innen auftreten und auch nicht eindeutig als Wissenschaftler*innen sprechen? Wir sind in der Tätigkeit als Vermittler*innen von allem ein bisschen und deshalb Brückenbauer*innen. Kern unserer Tätigkeit ist der direkte Austausch mit der Gesellschaft. Im Laufe der Zeit sind wir zu Expert*innen der Improvisation geworden. Wir kämpfen ständig dafür, unsere Tätigkeit professionell und mit hohem Anspruch durchführen zu können – für die Erfüllung DES Bildungsauftrags der Häuser. Es ist Zeit, die Relevanz unserer Arbeit deutlich zu machen, denn wir sind in der öffentlichen Wahrnehmung und selbst in der Wahrnehmung der Museen unsichtbar. Wenn wir nichts tun, wird das so bleiben – von daher begrüße ich diese Plattform als Ort des konstruktiven Austausches, der Vernetzung und der Organisation.

https://chavez.lederbogen.com

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Kommentare

  • claudia schrader

    25.11.2020 17:31 Uhr

    Treffende Worte zur Situation seit 2000 und deren Veränderung. Ich darf hinzufügen, dass ich seit 1978 in der Hh’er Kunsthalle tätig-Entwicklungsstufen darüber hinaus erleben konnte; u.a.gab es - noch unter Herbert Hötte als Leiter des MD - vierteljährlich stattfindende Treffen mit einem Museumsdirektor, einer Vertreter^in der Kulturbehlrde, einem Museumspädagogen sowie einer VertreterIn der Freien. Dort wurden nicht nur pädagogische und inhaltliche Belange diskutiert, sondern -während meiner Anwesenheit als Vertreterin der Freien - wurde auch und -nicht nur einmal- das Honorar angehoben. Die Freien könnten sich zusammenschließen um eine solche Runde erneut einzufordern. Gruß Claudia Schrader

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