Die Muspaeds |

Das ist doch keine Kunst!

Der alte Sketch von Loriot wirft die Frage nach der Schöpfungshöhe auf und ob der Kunstpfeiffer wohl Anspruch auf Mitgliedschaft in der KSK hätte.

Wer darf in die Künstlersozialkasse?

Einfache Antwort: Künstler! Oder… ?

Künstler ist, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Publizist ist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in ähnlicher Weise wie ein Schriftsteller oder Journalist tätig ist. Auch wer Publizistik lehrt, fällt unter den Schutz des KSVG. 

Aha, auch Journalisten und Publizisten können in die KSK und auch wer Publizistik nur lehrt, fällt unter den Schutz des Künstlersozialversicherungsgesetz.

Aber was ist z.B. mit Bloggern, YouTubern, Influencer*innen - die publizieren ja auch. Können die in die KSK? Einfache Antwort: Ja!

Auch YouTuber*innen die erklären, wie man einen Mofa-Motor repariert oder Schminktipps geben, ebenso wie Influencerinnen, die auf "Insta" oder sonstwo Werbung für die Industrie machen, gelten als Künstler*innen und können in die KSK.

Und Museumspädagog*innen also Kunst- und Kulturvermittler*innen? Nein.

Der Staatssekretär im Arbeitsministerium erklärt uns per Brief, unsere Arbeit sei nicht "künstlerisch", da es ja nur um "Informations- und Wissensvermittlung" der "kulturhistorischen Hintergründe" ginge, nicht um die "Schaffung künstlerischer Werke". Kurz - im Gegensatz zu Influencer*innen und der Wissensvermittlung, die in der Lehre der Publizistik stattfindet, ist das was wir machen, keine Kunst und nicht schützenwert durch die KSK.

Muss es überhaupt Kunst sein?

Offenbar nicht, denn bei Journalisten und Publizisten wurden schon Ausnahmen gemacht. Genauso für Designer, Fotografen und Software-Entwickler, bei denen die Grenze zwischen Programmierung und Gestaltung fliessend ist.

Hier zeigt sich eine Gesetzes-Insuffizienz so groß wie ein Scheunentor. Um das Problem zu lösen, könnte man zum Beispiel nach der "Schöpfungshöhe" fragen, also danach, ob Jemand bei seiner Arbeit eine eigene Kreativleistung erbringen muss und man könnte der Frage nachgehen, ob Jemand selbständig agiert oder weisungsgebunden Aufträge von oben, stumpf abarbeitet. Und man könnte - angesichts der Schminktipps - unbedingt nach der Bedeutungshöhe fragen.

Schöpfungshöhe

Auch wenn manche sich das so vorstellen mögen - Kunst- und Kulturvermittler*innen lesen ihren Stoff nicht einfach von einem Blatt ab, das ihnen vom Management herunter gereicht wurde, sondern sie erarbeiten dieses Material selbst! Und das unter Bedingungen, die das Thema eines späteren Artikels sein werden.

Dieses Erarbeiten hat tatsächlich eine eigene Schöpfungshöhe und ist durchaus eine kreative Tätigkeit, denn es geht bei unserer Arbeit nicht um die Wiederkäuung eines Katalogs oder das Aufsagen eines Wikipedia-Eintrags.

Es geht um die Präsentation eines Stoffes und die Verdeutlichung von Bezügen und Zusammenhängen. Man muss diese ergo vorher herausarbeiten und für die Besucher nachvollziehbar und erfahrbar machen. Sehr ähnlich wie z.B. Journalist*innen oder Dokumentarfilmende.

Hat es im Journalismus eine eigene Schöpfungshöhe, wenn per Copy/Paste Pressemitteilungen Dritter in ein Redaktions-CMS eingefügt werden? Eher nicht. Aber eine Reportage oder ein Zeitungsartikel hat so eine Schöpfungshöhe. Ein Journalist rapportiert ja auch nicht einfach was z.B. im Bundestag gesagt wurde oder listet die Substanzen auf, die sie in der Kantine des Arbeitsministeriums ins Essen mischen, sondern er gestaltet und formt sein Material bevor er es präsentiert.

Genau das tun wir auch.

Wir lesen unseren Stoff nicht von den Schildchen unter irgendwelchen Exponaten ab und nennen es Arbeit. Wir konzipieren und gestalten Programme, Workshops, Projekte zum Zweck der Kunst-und Kulturvermittlung. Wir recherchieren, wählen aus, bereiten auf, formen, kürzen, überarbeiten und präsentieren dann live und in Farbe vor Publikum.

Wir erfüllen einen Bildungsauftrag im Dienste der Kultur, der Zivilisation, der Aufklärung und genau an dieser Stelle kann man eine Bedeutungshöhe im Gegensatz zu dem Geplapper von Influencern auf YouTube oder Instagram erkennen.

Aber der Herr Heil von der SPD und sein Adlatus im Arbeitsministerium können das nicht. Sie ignorieren diesen Unterschied und damit auch den Geist, aus dem heraus Helmut Schmidt die KSK damals initiiert hat. Influencer hatte der ganz sicher nicht im Sinn.

In seiner als Briefpost versandten Antwort auf unsere E-Mail, führt Staatssekretär Schmachtenberg loriotsketchwürdig eine "jahrzehntelange Verwaltungspraxis" ins Feld und bittet um Verständnis für die "Sach- und Rechtslage". Was verdächtig nach Impfstoffbeschaffung klingt, ist in Wahrheit auch keine moderne Politik, sondern das fatale Beharrungsverhalten einer Bürokratie, die sich nicht bewegen will, weil das zu viel Arbeit macht. Koste es Andere was es wolle.

Wir fordern daher von Politikern wie Herrn Heil und allen ihren Adlaten ein Aufmerken. Dass sie endlich die Realität zur Kenntnis nehmen und die "Sach- und Rechtslage" an die Wirklichkeit anpassen und nicht umgekehrt. Denn nichts anderes ist ihr Job. Das war es vor der Pandemie und das wird es danach in einem Ausmaß sein, bei dem man ihnen ebenfalls "noch viel Freude an ihrer Arbeit" wünschen kann.

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